Auf dem Weg zur smarten Produktion: Wird der 5G-Funkstandard zum Motor für die industrielle Automatisierung?
Große Datenpakete ohne Verzögerung verschicken: Der 5G-Funkstandard verspricht Datenkommunikation in Echtzeit. Doch wie zuverlässig und stabil ist die Technologie im Anwendungsfall, etwa beim Automatisieren der industriellen Produktion? Hiermit befasst sich Professor Dr. Hans Schotten, Leiter des Forschungsvorhabens „5G Kaiserslautern“ und des Lehrstuhls für Funkkommunikation und Navigation an der TU Kaiserslautern. In Kaiserslautern ist eines von sechs 5G-Großforschungsprojekten verortet, das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) bis Ende 2022 gefördert wird. Anlässlich einer Vernetzungsveranstaltung des BMDV hat das 5G-Forschungsteam am 14. Juni den Stand von sechs Teilprojekten präsentiert.
Zunehmender Fachkräftemangel und der Wunsch, langfristig Kosten einzusparen, sind die zentralen Treiber, die Digitalisierung und Automatisierung der industriellen Produktion beschleunigen. Um flexible Lösungen realisieren zu können, ist eine drahtlose Kommunikation in Echtzeit notwendig. Nur so können große Datenmengen und sicherheitsrelevante Informationen schnell hin und her fließen und Prozessschritte im erforderlichen Takt ablaufen. Der Mobilfunkstandard 5G soll genau das ermöglichen. Sechs Anwendungsfälle, die 5G zur Datenkommunikation nutzen, erforscht das Vorhaben 5G Kaiserslautern aktuell im Hinblick auf ihre technologische Machbarkeit. Eigens für diesen Zweck wurde auf dem Gelände der TUK ein 5G-Campusnetz bereitgestellt. Den Stand der Forschung hat das Team Mitte Juni präsentiert.
Maschinen bedienen über die Cloud
Und so könnte die vernetzte Produktion von morgen aussehen: Die Steuerung einer CNC-Portalfräse, die in einer Werkhalle an der TUK steht, ist mittels 5G-Verbindung in eine Edge Cloud ausgelagert. Eine Edge Cloud zeichnet sich durch ihre örtliche Nähe zur Anwendung aus, wodurch die Verzögerungen durch den Datentransfer sehr gering sind. Das Gesamtkonzept spart Gerätekosten und Platz in der Produktionshalle. Der Bediener kann mit der Maschine über ihren digitalen Zwilling kommunizieren, der an einem zentralen Leitstand verfügbar ist. Speziell für das Forschungsvorhaben ist in Gebäude 11 auf dem Campus ein solcher Leitstand installiert worden. Darüber könnte ein Bediener letztlich auch mehrere Maschinen betreuen.
Kabelloser Werkzeugwechsel
In einem anderen Forschungslabor an der TUK bearbeitet ein handelsüblicher Roboterarm Werkstücke. Diese bekommt er von einem teilautonomen Transportfahrzeug zugeliefert. Im Falle einer Fehlermeldung im System kann er direkt sein Werkzeug wechseln und eine Kamera anschließen, um dem Bediener am Leitstand die Inspektion des Werkstücks zu ermöglichen. Das ist bei der heute üblichen Verkabelung in Produktionsumgebungen noch nicht möglich. Das Transportfahrzeug holt abschließend das fertige Bauteil ab und legt es in einen Intralogistik-Roboter, der es über das Gelände an seinen Zielort bringt.
Transport per Roboter
Der Intralogistik-Roboter ist ein weiteres Forschungsobjekt des 5G-Teams. Neben Werkstücken könnte er natürlich auch andere Waren auf einem Fabrikgelände hin und her transportieren. Aktuell haben die Forschenden an der Technischen Universität zwei Fahrzeugtypen (bis 75 kg Zuladung und bis 10 kg Zuladung) im Einsatz. Am benachbarten DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz) erproben Forschende zudem Transportvehikel, deren Steuerung nicht mehr am Fahrzeug sitzt, sondern in die Infrastruktur der Halle ausgelagert ist. So ließe sich eine ganze Flotte „schlanker“ Intralogistik-Roboter steuern.
Gedanken werden Steuerbefehle
Die Mensch-Maschine-Interaktion mittels 5G-Kommunikation ist ein weiteres Forschungsfeld von 5G Kaiserslautern. Das Konzept: Der Bediener erfasst mit einem transparenten Display, was auch eine smarte Brille sein könnte, die Maschine. Mittels Augmented Reality bekommt er Maschinenparameter angezeigt. Ist Interaktion notwendig, kann er über eine Kappe, die seine Gehirnströme erfasst, mit der Maschine kommunizieren. Diese werden an eine lokale Edge Cloud gesendet, dort findet die Verarbeitung statt. So lassen sich gedachte Befehle schnell in tatsächliche Steuerbefehle übersetzen.
Punktegenaue Pflanzenschutzmaßnahmen
Nicht zuletzt bietet die Landwirtschaft vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten für schnelle Mobilfunkkommunikation. Im Rahmen von 5G-Kaiserslautern haben die Forschenden einen teilautonomen Roboter im Einsatz, der Pflanzenschutzmaßnahmen durchführt. Dieser ist ebenso mit dem zentralen Leitstand verbunden, um in Falle eines Problems unterstützen zu können. Die GPS-Kartierung mit Positionen des Unkrauts liefert vorab eine Drohne per Videostream an eine Edge Cloud. Die verarbeiteten Daten nutzt der Roboter nachfolgend für seine Arbeit. Er fährt eigenständig ein Feld ab und erfasst dabei das Unkraut zusätzlich per Kamera, um das an Bord mitgeführte Pflanzenschutzmittel punktgenau zu applizieren. Dann schaltet er die Düsen am Spritzbalken ein, der vorne montiert und mit dem Tank verbunden ist. Da im ländlichen Raum die oft noch lückenhafte Netzabdeckung eine Herausforderung darstellt, kommt bei dieser Anwendung ein mobiles 5G-Netz zum Einsatz.
Mit den beschriebenen sechs Szenarien erproben die Forschenden bis Ende 2022 5G-Anwendungen in Realumgebungen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Mittels schneller 5G-Kommunikation ließen sich künftig alle Maschinen in einem Unternehmen per Edge Cloud und Leitstand überwachen und steuern. Dies ermöglicht eine zentrale Produktionsoptimierung und vereinfacht die Bedienung. Einen Schub bei der Latenzzeit, die die zeitliche Verzögerung angibt, braucht es allerdings noch, um die Machbarkeit einiger Anwendungen endgültig unter Beweis zu stellen. „Aktuell ist die gewünschte Echtzeitkommunikation noch nicht erreicht“, sagt Schotten. „Ein Upgrade des 5G-Netzes ist zeitnah geplant. Mit den Optimierungen in der neuen Version erwarten wir unter anderem eine große Reduktion der Latenzzeit“, sagt Schotten.
Fragen beantwortet:
Prof. Dr.-Ing. Hans Schotten
Lehrstuhl für Funkkommunikation und Navigation
E-Mail: schotten(at)eit.uni-kl.de
Tel.: 0631 205-3595
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